Kranker König der Herzen

(bb) – Dass bei einem Tischtennisspiel der 2. Bundesliga zum Schlussdoppel nach dreidreiviertel Stunden fast 350 Zuschauer ganz nah an den Spieltisch heranrücken und begeistert klatschen, gibt’s in Deutschland nur in Hilpoltstein. Dass eine Mannschaft nahezu das gesamte Match über wie der Sieger aussieht und am Schluss doch noch verliert und das zum wiederholten Mal: auch diese Alleinstellung gebührt den Mittelfranken. Man nennt sie mittlerweile die Hilpoltsteiner Krankheit.

Dass diese Krankheit zum Tode führt, sprich zum Abstieg, damit ist in der Tat nicht zu rechnen. Denn trotz ihrer 7:9-Niederlage gegen den Tabellenzweiten Post SV Mühlhausen nehmen die Cracks aus der Burgstadt immer noch den siebten Tabellenrang ein. Allerdings wird es zunehmend schwerer, den angestrebten Platz in der vorderen Tabellenhälfte zu erreichen. Und Rekord-Zuschauerzahlen im Bereich von 500 sind bei so vielen knappen Spielverlusten natürlich auch kaum möglich – ein bisschen Frust nehmen die Fans trotz eines tollen Sportnachmittags halt doch mit auf den Heimweg.

Dennoch hat wohl keiner der Besucher sein Kommen bereut. Ehemalige Weltklasse-Akteure zuhauf, fantastische Ballwechsel, Spannung pur und eine zeitgemäße Präsentation: diese Mischung sorgt stets für prächtige Stimmung in der Hilpoltsteiner Stadthallen-Arena. Namen wie Milan Orlowski, 57,  Jindrich Pansky, 49, die ehemaligen Vize-Weltmeister im Doppel, oder Andras Podpinka, 41, mehrfacher deutscher Meister und Champions League-Sieger, haben immer noch einen guten Klang. Auch Thomas Theissmann, 32, und Björn Ungruhe, 33, die extrovertierten deutschen Urgesteine auf Mühlhausener Seite, ziehen die Fans ebenso in ihren Bann wie der 18-jährige Philipp Floritz, der gerade erst mit der deutschen Jugend-Nationalmannschaft Vize-Weltmeister geworden ist.

Alexander FlemmingAls absoluter „Liebling der Tischtennisfans“ entpuppt sich jedoch immer mehr der 22-jährige Alexander Flemming. Was der 22-fache Sachsenmeister und amtierende deutsche Meister im Herren-Doppel derzeit auf die Hilpoltsteiner Tische zaubert, ist phänomenal und fordert die Begeisterungsstürme der Besucher geradezu heraus. Wie schon in der Vorrunde hatten die Mühlhausener Spitzenspieler Tang Bing, 36, – in der Vorsaison noch der mit Abstand beste Akteur der Liga – und Petr David, 25, gegen den Hilpoltsteiner das Nachsehen. Flemming hat sich damit zur Verblüffung fast aller Experten mit jetzt 14:6-Siegen auf den zweiten Platz der derzeitigen Bestenliste gehievt. Bei den bayerischen Einzelmeisterschaften, die am kommenden Wochenende in Hilpoltstein stattfinden, ist er folgerichtig vor Titelverteidiger Philipp Floritz an Nr. 1 gesetzt.

Woran lag nun die knappe Hilpoltsteiner Niederlage? Außer Flemming machte nur noch der Deutsch-Ungar Andras Podpinka zwei Punkte im Einzel und freute sich danach wie ein Schneekönig, Tomas Demek düpierte seinen berühmten Landsmann Milan Orlowski zwar klar, verlor jedoch etwas überraschend gegen Björn Ungruhe, der sich phasenweise in einen Rausch spielte. Auch Philipp Floritz ging gegen die Thüringer Spitzenspieler erneut leer aus, weil er wieder mal etwas zu defensiv agierte und klare Führungen nicht nach Hause spielen konnte. Felix Bindhammers krankheitsbedingter Ausfall machte das Unglück der Hausherren perfekt, Youngster Manuel Hoffmann konnte ihn erwartungsgemäß nicht vollwertig ersetzen. Dennoch: Die beste Hilpoltsteiner Mannschaft aller Zeiten bleibt „König der Herzen“.

TV Hilpoltstein – Post SV Mühlhausen 7:9  Flemming-Podpinka – David/Orlowski 8:11, 12:10, 11:3, 11:9; Floritz/Hoffmann – Tang/Pansky 7:11, 6:11, 6:11; Demek/Möst – Ungruhe/Theissmann 11:6, 7:11, 13:11, 5:11, 11:7; Flemming – David 8:11, 6:11, 11:4, 14:12, 11:3; Floritz – Tang 11:3, 6:11, 9:11, 9:11; Podpinka – Orlowski 11:4, 11:7, 11:3; Demek – Ungruhe 14:16, 11:6, 5:11, 6:11; Möst – Pansky 9:11, 7:11, 10:12; Hoffmann – Theissmann 5:11, 3:11, 4:11; Flemming – Tang 11:8, 2:11, 12:10, 11:9; Floritz – David 7:11, 12:14, 11:9, 7:11; Podpinka – Ungruhe 12:10, 11:6, 4:11, 12:10; Demel – Orlowski 12:10, 11:3, 8:11, 12:10; Möst – Theissmann 8:11, 14:12, 9:11, 6:11; Hoffmann – Pansky 2:11, 9:11, 7:11; Flemming/Podpinka – Tang/Pansky 7:11, 3:11, 11:4, 9:11.

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